Es gibt keine richtige Politik im Falschen

Gibst du mir, so gebe ich dir. Solange die Türkei dafür sorgt, dass der Flüchtlingsstrom nach Europa gestoppt wird, sind wir dazu bereit, neben Geld und sonstigen Vergünstigungen auch Gleichgültigkeit walten zu lassen vor dem, was der türkische Präsident Erdogan derzeit in seinem Land treibt. Das bedroht auf Dauer auch unsere eigene Demokratie!

Die Demokratie hat die Jahrhunderte überdauert - so wie es da griechische Partheonon getan hat. Dank starker Fundamente!

Die Demokratie hat die Jahrhunderte überdauert – so wie es da griechische Partheonon getan hat. Dank starker Fundamente! (Bild: Thermos)

Es gibt keine richtige Politik im Falschen. Auch wenn das Ergebnis so gewünscht ist, kann es solange nicht richtig sein, wie es auf ethisch fragwürdigen Grundannahmen und Entscheidungen fußt. Der Zweck heiligt eben nicht alle Mittel. Grundwerte wie die Meinungsfreiheit plötzlich nicht mehr zu verteidigen, um ein anderes Ziel zu erreichen, ist nicht nur schäbig sondern wird uns auf Dauer zweierlei kosten: Wir verlieren sowohl den Rückhalt für dieselben Grundwerte hierzulande, als auch das Vertrauen der Menschen in die Politik.

Ich weiß, dass Politik im Wesentlichen darin besteht, die bestmöglichen Kompromisse zu finden. Doch dieses Ringen um einen Interessenausgleich muss dort ein Ende finden, wo die Grenzen des Anstands überschritten werden. Es ist wie beim Bau eines Hauses: Mauern, Fenster, das Dach stehen allesamt auf einem Fundament, das sich den Gegebenheiten anpassen muss. Steht das Grundwasser hoch oder rütteln Bergschäden am Haus, muss das Fundament entsprechend gebaut werden. Da kann man nicht an einer Ecke ein Auge zudrücken und an der Isolierung sparen oder weniger Eisen verbauen. Die Folgen wären Wassereintritt und Risse im gesamten Haus. Sicher, beim Klinker, bei der Farbauswahl der Fenster oder dem Material der Dachziegeln kann ich Kompromisse schließen. Das Fundament aber auf dem ich baue, muss dauerhaft Bestand haben. Kompromisslos.

Genauso verhält es sich mit Politik: Meine eigenen Werte und die allgemeingültigen Werte einer Demokratie sind nicht verhandelbar. Sie müssen frei von Kompromissen bleiben, um ihre Stahlkraft nicht zu verlieren. Sobald ich beginne, sie einem Ziel zu opfern, stelle ich sie mit meinem Tun gänzlich infrage und unterlaufe damit die Grundfesten meines demokratischen, politischen Tuns. Die Grundwerte unserer Gesellschaft sind nicht verhandelbar.

Aktuell ordnen Deutschland und die EU ihre eigenen demokratischen Werte unter, um dadurch einen politischen Entscheider in der Türkei milde zu stimmen. Das Ziel: Die Flüchtlingsbewegungen dieser Tage sollen an den Toren Europas gestoppt werden, ohne dass sich die beteiligten Nationalstaaten selber die Hände schmutzig machen müssen. Wir alle können uns tagtäglich einreden, dass es sicher nicht so schlimm sein wird, als Flüchtender in einem Camp vor den Toren Europas verharren zu müssen. Wir können in wohlfeilen Worten um Rupert Neudeck trauern, der mit seinem Schiff „Cap Anamur“ Tausenden auf hoher See das Leben gerettet hat, während heute zeitgleich auf der gefährlichen Flüchtlingsroute im Mittelmeer unschuldige Frauen, Männer und Kinder ertrinken. Wir blenden dabei schlicht die Realität aus, die da lautet, dass Millionen Menschen weltweit noch immer auf der Flucht sind vor Kriegen, Hunger und Vertreibung. An den Ursachen etwas zu ändern und bis es so weit ist dafür zu sorgen, den Flüchtenden Schutz zu bieten, sollte unser gemeinsames Ziel sein. Es fußt auf dem Grundwert der Menschlichkeit, die einfach nicht verhandelbar ist.

Wer das erkennt und danach handelt, hilft nicht nur den flüchtenden Menschen und der Demokratie in der Türkei. Er hilft zudem, den Glauben an eine gerechte Politik aufrecht zu erhalten und dabei, das tägliche politische Handeln auf eine Grundlage, ein Fundament zu stellen, das wegen seiner klaren Werte auch in Zukunft niemals Risse zeigen wird.

Bild: Thermos via Wikipedia (CC BY-SA 2.5)

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